Wissenschaftliche Studien über Meditation

1. Einleitung

Vor etwa 4 Jahren hielt der buddhistische Mönch und promovierte Molekularbiologe Matthieu Ricard (http://de.wikipedia.org/wiki/Matthieu_Ricard, siehe auch Abb. 1) am Europäschen Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL) in Heidelberg (http://www.embl.de/) einen Vortrag über wissenschaftliche Untersuchungen an sehr meditationserfahrenen buddhistischen Mönchen. Dieser Vortrag stieß bei den Wissenschaftlern des EMBL auf so starkes Interesse, dass der grosse Vortragssaal des EMBL mit schätzungsweise 400 Sitzplätzen praktisch bis auf den letzten Platz besetzt war. Ein neben mir sitzender Wissenschaftler des EMBL erklärte mir, so voll sei der Vortragssaal nur selten. Dieses große Interesse ist symbolisch für den Boom in diesem Wissenschaftsbereich, der sich auch in einer in den letzten Jahren stark zunehmenden Zahl wissenschaftlicher Publikationen niederschlägt (siehe unten und Abb. 2).

Abb. 1: Matthieu Ricard vor dem Magnetresonanztomographen des Waisman Center der University of Wisconsin-Madison (USA). Rechts von ihm Prof. Richard J. Davidson der Leiter des Centers (Bildnachweis siehe unten).

Bevor in den folgenden Kapiteln näher auf verschiedene wissenschafliche Studien eingegangen wird, sollte man sich vor Augen halten, dass das Üben von Achtsamkeit und Meditation ein spezielles mentales Training darstellt, das manche (siehe Ricard 2009) auch als Geistesschulung bezeichnen. Für Ott (2010) ist Meditation auch eine Methode der Selbstregulation, welche zu ihrer effektiven Anwendung im Alltag regelmässiges Üben erfordert. Dieses Training basiert, wie alle anderen Fähigkeiten, die wir einüben, auf der Plastizität unseres Gehirns. Ob wir Meditation oder Achtsamkeit trainieren oder das Spielen eines Musikinstrumentes, ob wir eine Sprache oder komplizierte Bewegungsabläufe erlernen, immer nutzen diese Lernprozesse die enorme Plastizität (Verformbarkeit) unseres Gehirns aus. Diese Plastizität erhalten wir uns bis ins hohe Alter. Das Gehirn könnte man auch als „Muskel“ bezeichnen, der wie alle anderen Muskeln trainierbar ist und auch bleibt. Eine in Kapitel 3 beschriebenen Studie von Hölzel et al. (2011) zeigt, daß bereits bei etwa 25 Stunden Meditationserfahrung Veränderungen im Gehirn nachweisbar sind. In den in Kapitel 4 beschriebenen Studien haben die untersuchten Meditierenden eine Meditationserfahrung von bis zu 50.000 Stunden, verteilt über etliche Jahrzehnte. Ich halte es für sehr bemerkenswert, dass es bei diesen sehr erfahrenen Meditierenden zu keinen offensichtlichen „Sättigungseffekten“ kommt. Somit nehmen auch bei diesen sehr langjährigen Meditierenden die nachweisbaren Veränderungerungen im Gehirn noch etwa linear mit deren Trainingszeit zu.

Abb. 2: Anzahl der referierten wissenschaftlichen Publikationen zum Thema „Meditation“ in Fachzeitschriften während der letzten 50 Jahre (aus Ott 2010).

2. Entwicklung der Meditationsforschung in den letzten Jahrzehnten

Die Entwicklung der Meditationsforschung in den letzten 50 Jahren ist sehr eindrucksvoll in der Graphik in Abb. 2 dargestellt, die (wie Abb. 3) freundlicherweise von Dr. U. Ott (Universität Gießen) zur Verfügung gestellt wurde (siehe Ott 2010). Ott (2010) teilt die in Abb. 2 dargestellte Entwicklung der Publikationszahlen in vier verschiedene Phasen ein. Hier soll hauptsächlich der seit 2000 anhaltende Boom in der Meditationsforschung etwas näher erläutert werden. Die diesbezüglichen Informationen stammen auch von Ott (2010). Wie Abb. 2 zeigt, wurden im Jahr 2009 rund 230 wissenschaftliche Publikationen in referierten Fachzeitschriften publiziert. Der in Abb. 2 dargestellte Boom, der sich auch in Unterbereichen der Meditationsforschung niederschlägt (siehe Abb. 3), hat verschiedene Ursachen. Die wichtigsten sind wahrscheinlich:

  1. Auf Initiative des Dalai Lama begannen in den 1980er Jahren am Mind & Life Institute (http://www.mindandlife.org/) regelmäßige Dialoge zwischen dem 14. Dalai Lama Tendzin Gyatsho (http://de.wikipedia.org/wiki/Tendzin_Gyatsho) und führenden westlichen Wissenschaftlern. Diese Dialoge haben sich inzwischen zu großen richtungsweisenden Kongressen entwickelt. Hierüber hat auch die sehr renommierte Wissenschaftszeitschrift Science berichtet (Science, 3 October 2003, Vol. 302, 44-46).

  2. Achtsamkeit und Meditation ist zu einem Trendthema in der Psychologie,Psychotherapie, Hirnforschung und den Neurowissenschaften geworden. Dieser ungebrochene Trend schlägt sich in einer fortlaufenden Serie von Fachkongressen nieder sowie in entsprechenden Fachbüchern und Publikationen in den Medien (wie z.B. „Stern“ oder „Der Spiegel“, siehe Heft 21, 2013.

  3. Die Entwicklung von geeigneten bildgebenden Verfahren mittels Magnetresonanz-tomographie (MRT, https://de.wikipedia.org/wiki/Magnetresonanztomographie) und der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT, http://de.wikipedia.org/wiki/Funktionelle_Magnetresonanztomographie). Letztere dient zur Untersuchung der geänderten Stoffwechselvorgänge (Durchblutungsveränderungen) im menschlichen Gehirn während verschiedener meditativer Zustände. Der mittels MRT und fMRT erfolgte direkte Nachweis von Veränderungen im Gehirn bei entsprechend erfahrenen Meditierenden hat sehr zu einer breiteren Aktzeptanz von Meditation beigetragen.

3. Wissenschaftliche Untersuchungen über MBSR (Stressbewältigung durch Achtsamkeit)

MBSR („mindfulness-based stress reduction“, auf Deutsch „Stressbewältigung durch Achtsamkeit“) ist ein standardisiertes verhaltensmedizinisches Programm über 8 Wochen, bei dem täglich etwa 45 Minuten meditiert wird. Zusätzlich wird an einem Tag etwa 8 Stunden intensiv geübt. Das Programm wurde 1979 von Jon Kabat-Zinn (http://de.wikipedia.org/wiki/Jon_Kabat-Zinn) an der Stress Reduction Clinic der University of Massachusetts (Medical School in Worcester) begonnen und wird inzwischen in vielen Ländern der Welt, darunter auch in zahlreichen Orten in Deutschland angeboten. Allein in Heidelberg bieten acht MBSR-Lehrer/innen Kurse an. Informationen über den Ablauf dieses Programms findet man bei Kabat-Zinn (2006a) oder auf den Webseiten der diversen MBSR-Lehrer/innen (z.B. http://www.mbsr-tuebingen.de/kurse/8-wochen-training/).

Solch ein relativ weit verbreitetetes, hochgradig strukturiertes und standardisiertes Programm eignet sich sehr gut für wissenschaftliche Studien. Es erlaubt zum einen, relativ leicht eine ausreichend große Stichprobe von Probanden zu rekrutieren, die alle einen ähnlichen Erfahrungshintergrund („Trainingsstand“) haben. Zum anderen lassen sich unterschiedliche Studien mit MBSR-Teilnehmern gut miteinander vergleichen. Gäbe es zum Beispiel kein weit verbreitetes MBSR-Programm, wäre man zum Erhalt einer ausreichend großen Stichprobe darauf angewiesen, Meditierende unterschiedlicher Meditationsmethoden mit einer meditationsunerfahrenen Kontrollgruppe zu vergleichen. Aus den oben genannten Gründen ist MBSR bei wissenschaftlichen Untersuchungen sehr beliebt. Dies zeigt sich auch an der großen und stark zunehmenden Anzahl von wissenschaftlichen Publikationen (siehe Abb. 3).

Die in den MBSR-Kursen geübte Achtsamkeitsmeditation fördert eine nicht wertende und akzeptierende Haltung gegüber jeder Art von Stress im Alltag und insbesondere auch bei körperlichen Erkrankungen, die mit Schmerzen und somit von Stresssymptomen verbunden sind. Ein sehr eindrucksvolles Beispiel, wie ein MBSR-Programm bei einer knapp sechzigjährigen Patientin zur deutlichen Reduktion ihrer Schmerzsymptome, zur Abnahme ihres Bluthochdrucks und zur Normalisierung ihres Schlafes geführt hat, ist bei Kabat-Zinn (2006a, Seite 87-90) beschrieben.

Abb. 3: Anzahl der referierten wissenschaftlichen Publikationen über MBSR in Fachzeitschriften während der letzten 50 Jahre (aus Ott 2010).

Erste systematische Studien über MBSR werden von Kabat-Zinn (2006b) geschildert. Dort beschreibt er auf den Seiten 372-381, wie er durch seine Erfolge bei der Stressreduktion dazu angeregt wurde, sein Programm zusammen mit Hautärzten bei der Behandlung von Patienten mit Schuppenflechte (Psoriasis) anzuwenden. Sie führten während der Phototherapie ein Meditationsprogramm durch. In einer Doppelblindstudie konnte gegenüber einer entsprechenden Kontrollgruppe ein wesentlich stärkerer Rückgang der Schuppenflechte-Symptome bei der Patientengruppe nachgewiesen werden, die parallel zur Phototherapie Achtsamkeitsmeditation durchführte. Die dazugehörende Orginalpublikation findet sich unter Kabat-Zinn et al (1998).
Im selben Buch von Kabat-Zinn (2006b, Seite 382-389) beschreibt er eine MBSR-Studie, die mit Angestellten einer Biotechnologiefirma durchgeführt wurde. Bei dieser Studie wurden sowohl die Veränderungen im Gehirn mittels Elektroenzephalografie (EEG, https://de.wikipedia.org/wiki/Elektroenzephalografie) als auch die Immunreaktion der Studienteilnehmer (und jeweils auch einer Kontrollgruppe) untersucht. Dabei zeigten die MBSR-Teilnehmer nach dem MBSR-Training sowohl eine bessere Immunabwehr gegen Grippevieren (nach einer Grippeschutzimpfung) als auch deutliche Veränderungen in den Gehirnstrommustern bei den EEG-Untersuchungen (Originalpublikation siehe Davidson et al. 2003). Eine sehr ausführliche Übersicht über wissenschaftliche Untersuchungen von achtsamkeitsbasierten Methoden, wie MBSR und MBCT (Mindfulness Based Cognitive Therapy, auf Deutsch: Achtsamkeitsbasierte Kognitive Therapie, siehe z.B. http://de.wikipedia.org/wiki/Achtsamkeitsbasierte_Kognitive_Therapie), findet sich auf der Webseite http://www.achtsamleben.at/forschung.html. Diese Webseite zeigt sehr eindrucksvoll in wie vielen Bereichen der Psychotherapie und im Gesundheitsweisen achtsamkeitsbasierte Methoden angewendet werden.

Eine viel beachtete MBSR-Studie wurde von Hölzel et al. (2011) durchgeführt. Der Originaltext auf Englisch findet sich unter http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21071182 und eine kurze Zusammenfassung in Deutsch unter http://geb.uni-giessen.de/geb/volltexte/2011/8118/pdf/SdF_2011_01_31_35.pdf Bei dieser Studie wurde mittels Magnetresonanztomographie das Gehirn von 16 Teilnehmern eines achtwöchigen MBSR-Kurses vor und nach dem Kurs untersucht und die gleichen Untersuchungen bei einer Kontrollgruppe mit 17 Personen durchgeführt, die bisher noch nicht an einem Kurs teilgenommen hatten. Die MBSR-Teilnehmer hatten eine durchschnittliche Übungszeit von nur 23 Stunden und es konnte bei ihnen nach dem Kurs eine Erhöhung der Dichte der sogenannten grauen Substanz nachgewiesen werden. Die graue Substanz besteht hauptsächlich aus Nervenzellkörpern (siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Graue_Substanz). Diese Dichteerhöhungen in der grauen Substanz zeigten sich im linken Hippocampus (http://de.wikipedia.org/wiki/Hippocampus) und anderen Gehirnregionen (siehe Abb. 4).

Abb. 4: Vergleich der Zunahme der Dichte der grauen Substanz vor und nach einem MBSR-Training (aus Hölzel et al. 2011). Das Bild zeigt verschiedene Schnitte durch das Gehirn, welche mit Hilfe eines Magnetresonanztomographen aufgenommen wurden. Die Regionen in denen bei den 16 Studienteilnehmern eine Zunahme der grauen Substanz nachgewiesen wurde sind gelb markiert.

Diese Studie zeigt, dass bereits eine kurze „Trainingszeit“ von etwa 25 Stunden zu nachweisbaren Veränderungen in den Gehirnteilen führt, die für Lern- und Gedächtnisprozesse, Selbstwahrnehmung, Gefühlssteuerung bzw. Stressreaktionen zuständig sind. Diese relativ schnellen „Erfolge“ bei einem Meditationstraining sind für manche Meditationsanfänger eine wichtige Motivationhilfe, ein geeignetes Meditatonsprogramm zu beginnen. Erfahrene Meditierende brauchen vermutlich solche Motivationshilfen nicht, da sie die positiven Auswirkungen der Meditation im Allgemeinen sehr gut bei sich selbst spüren.

Bei Ott (2010) werden auch die Ergebnisse von zwei Meta-Studien über MBSR beschrieben. Die starke Zunahme in der Anzahl von MBSR-Studien in den letzten Jahren (siehe Abb. 3) erlaubt heute methodisch vorbildliche Meta-Analysen. Nach Ott (2010) zeigen diese neuen Meta-Studien, dass MBSR einen positiven Effekt mittlerer Größe auf die psychische Gesundheit der Studienteilnehmer hat. Somit ist MBSR ein Verfahren mit nachgewiesener Wirksamkeit. Die nachgewiesenen Effekte waren zeitlich stabil und sind vergleichbar groß wie andere klinische Standardverfahren. Die Studien zeigten auch eine positive Auswirkung auf die körperliche Gesundheit. Jedoch war im Durchschnitt die Auswirkung auf die seelische Gesundheit stärker als auf die körperliche.

4. Studien bei erfahrenen und sehr erfahrenen Meditierenden

Zunächst sollte erwähnt werden, dass der Begriff „erfahrene“ oder „sehr erfahrene“ Meditierende nicht genau definert ist. Es gibt Studien bei denen die Teilnehmer einige tausend Stunden Meditationserfahrung haben und in dem eingangs erwähnten Vortrag von Matthieu Ricard berichtete er von einem älteren tibetischen Mönch mit etwa 50.000 Stunden Meditationserfahrung. In diesem Artikel werden einfachheitshalber Personen mit etwa 1.000 bis 10.000 Stunden Meditationserfahrung als „erfahrene“ Meditierende bezeichnet und solche mit mehr als 10.000 Stunden Meditationserfahrung als „sehr erfahrene“ Meditierende (vorausgesetzt die Meditationserfahrung ist in den im folgenden näher beschriebenen Studien entsprechend genau angegeben).

Allgemeinverständliche Informationen zu diesem Thema (auf Deutsch) findet man in den Büchern von Singer & Ricard (2008), Ricard (2009) und Ott (2010). Eine kurze Zusammenfassung von wichtigen Forschungsergebnisse gibt es bei Hanson & Mendius (2010, Seite 106) und eine kurze Zusammenfassung etlicher wichtiger Aspekte sind auf der Webseite http://blog.achtsamkeitskongress.de/tag/ulrich-ott aufgeführt. Einen relativ guten Überblick kann man sich innerhalb von etwa 30 Minuten durch einenYouTube-Vortrag von U. Ott verschaffen (http://www.youtube.com/watch?v=u4Eyo9KsC8w, leider mit teilweiser suboptimaler Ton- und Bildqualität). Einen sehr guten und ausführlichen Vortrag von B. Hölzel und U. Ott über die wichtigsten Forschungsergebnisse findet man als pdf-File unter http://www.achtsamkeitszentrum.de/uploads/Kursinformationen/Ott-2012-Arbor-Wien.pdf

Abb. 5: Matthieu Ricard bei einer Gehirnuntersuchung mittels Elektroenzephalografie (EEG) am Waisman Center der University of Wisconsin-Madison, USA. (Bildnachweis siehe unten).

Im Folgenden wird nur beispielhaft auf einige Studien eingegangen, welche in den oben genannten Literatur- und Internetquellen erwähnt oder beschrieben sind, wobei zum Teil auch auf die Originalliteratur zurückgegriffen wurde. Dies bedeutet, dass dieser Artikel keinen vollständigen Überblick liefert, sondern gewissermaßen nur ein Scheinwerferlicht auf einzelne Aspekte dieses inzwischen sehr breiten Wissenschaftsfeldes wirft.

In seinem Buch „Glück“ beschreibt Ricard (2009) eine vielfach zitierte Untersuchung von sehr erfahrenen Meditierenden mittels Elektroenzephalografie (EEG, siehe auch Abb. 5 und 6). Die Originalstudie findet man unter http://www.pnas.org/content/101/46/16369.long und sie wurde von Lutz et al. (2004) publiziert. Bei dieser Studie ist Matthieu Ricard sowohl

Abb. 6: Gammawellen (GW)-Studie von Lutz et al. (2004) mittels Elektroenzephalografie (EEG). Ganz oben im Bild wird die Verteilung der GW-Leistung im Gehirn zwischen der meditationsunerfahrenen Kontrollgruppe (links) und den sehr erfahrenden Meditierenden verglichen. Die Farbkodierung gibt den prozentualen Anteil der Studienteilnehmer an, bei denen eine entsprechende Erhöhung der GW-Leistung festgestellt wurde. In manchen Hirnregionen konnten bei allen sehr erfahrenen Meditierenden eine Zunahme der GM-Leistung festgestellt werden (siehe rote Farbkodierung = 100%). Die unterste Graphik zeigt die relative Zunahme der GW-Aktivität als Funktion der Gesamtdauer des Meditationstrainings. Hieraus ist ersichtlich, dass selbst bei sehr erfahrenen Meditierenden die GW-Aktivität mit der Dauer des Meditationstrainings zunimmt.

Mitautor als auch Studienteilnehmer. Bei ihr wurden acht buddhistische Mönche, die in der tibetischen Nyingmapa- und Kagayupa-Tradition meditierten, mit einer Kontrollgruppe von zehn Studenten ohne wesentliche Meditationserfahrung verglichen. Die Studenten erhielten nur direkt vor der Untersuchung eine einwöchige Meditationsanleitung von einer Stunde pro Tag. Die Mönche hatten eine Meditationserfahrung von 10.000 bis 50.000 Stunden. Die Probanden mussten zwischen zwei Phasen wechseln: eine neutrale Phase mit 30 Sekunden und eine Meditationsphase mit 90 Sekunden in der sie über Mitgefühl und liebende Güte meditierten. Dieser Phasenwechsel wurde vier Mal wiederholt. Dabei zeigte sich bei den erfahrenen Meditierenden ein sehr starker Anstieg der sogenannten Gammawellen (Frequenzbereich 25-70 Hertz) und das bereits bei so kurzen Meditationsphasen von nur 90 Sekunden (siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Elektroenzephalografie bezüglich Informationen über Gammawellen). Des weiteren wurde bei den acht Mönchen eine sehr ausgeprägte Sychronisierung („Gleichtakt“) der Gammawellen über das gesamte Gehirn beobachtet. Die Effekte zeigten eine deutliche Zunahme mit der Meditationerfahrung der Mönche (etwa um einen Faktor zwei von 15.000 auf 50.000 Stunden). Ähnliche Effekte waren in der neurowissenschaftlichen Literatur bisher nicht beschrieben worden. Weitere Informationen zu dieser Studie ergeben sich aus Abb. 6.

Abb. 7: Mittlere Zunahme der grauen Substanz im Bereich des Hippocampus-Komplexes bei erfahrenen Meditierenden (50 Studienteilnehmer mit einer durchschnittlichen Meditationserfahrung von fast 20 Jahren) gegenüber einer gleichzahligen altersangepassten Kontrollgruppe ohne Meditationserfahrung (aus Luders et al. 2013). Es werden verschiedene Schnitte durch den Hippocampus-Komplex gezeigt. Die Regionen, bei denen eine signifikante Veränderung festgestellt wurde, sind farbig markiert. Die Farbkodierung gibt die Signifikanz der Veränderung der Dichte der grauen Stubstanz an.

Ricard (2010) beschreibt in seinem Buch „Glück“ auch ein eindrucksvolles Experiment über Schreckreaktionen welches von Paul Ekman und Robert W. Levenson im Berkeley Psychophysiology Laboratory durchgeführt wurde. Hierbei wurde den Probanden mittels Kopfhörer ein in unmittelbarer Nähe abgefeuerter Gewehrschuss simuliert und die Probanden wussten nur, dass der Schuss innerhalb eines Zeitfensters von 5 Minuten abgefeuert werden würde. Neben einer Reihe von physiologischen Parametern wurde während dieses Zeitfensters die Gesichtsmimik gefilmt. Von den mehreren hundert untersuchten Personen (darunter auch Scharfschützen und Polizisten) zeigten bis auf eine einizige Ausnahme alle eine deutliche Schreckreaktion in ihrer Gesichtsmimik. Diese einzige Ausnahme war ein sehr meditationserfahrener Mönch, dem es gelang, durch eine stark ausgeprägte offene Präsenz die auf den Knall folgende emotionale Reaktion (die sich in den Gesichtsmuskeln wiederspiegelt) gar nicht erst auszulösen. In den anderen physiologischen Parametern (wie z.B. der Pulsrate) zeigte er vergleichbare Reaktionen wie andere Probanden.

Eine schon seit etlichen Jahren bekannte Auswirkung längerer Meditationserfahrung ist die Zunahme der sogenannten grauen Substanz (Nervenzellkörper) im Gehirn, die sich mit Hilfe der Magnetresonanztomographie gut lokalisieren läßt (siehe Abb7 und auch oben, Kapitel 3). Diesbezügliche Untersuchungen wurden z.B. von Lazar et al. (2005), Hölzel et al. (2008) und Luders et al. (2009, 2013) durchgeführt. Die Zunahme der grauen Substanz wurde unter anderem in der Insula (Inselrinde, http://de.wikipedia.org/wiki/Inselrinde), im präfontalen Cortex (http://de.wikipedia.org/wiki/Präfrontaler_Cortex, Teil des Frontallappens der Grosshirnrinde) und im Hippocampus (http://de.wikipedia.org/wiki/Hippocampus) festgestellt. Bei der Studie von Hölzel et al. (2008) wurden 20 erfahrene Vipassana-Meditierende mit einer durchschnittlichen Meditationserfahrung von 8.6 Jahren a` 2 Stunden

Abb. 8: Die vier Graphiken in dieser Abbildung fassen die wichtigsten Ergebnisse der Studie von Pagnoni & Cekic (2007) zusammen (CTRL = Kontrollgrupe, MEDT = Meditierende). Die Graphik oben links zeigt das gesamte Volumen der grauen Substanz (GS) als Funktion des Alters der Studienteilnehmer. Bei der Kontrollgruppe zeigt sich eine deutliche Abnahme der GS mit zunehmenden Alter, während eine solche Abnahme bei den Meditierenden nicht auftritt. Die beiden rechten Graphiken zeigen das Ergebnis eines Aufmerksamkeitstests (oben) und eines Reaktionstests (unten). Bei der Kontrollgruppe zeigte sich, dass mit zunehmenden Alter die Aufmerksamkeit abnimmt und dass die Reaktionszeit zunimmt. Bei den erfahrenen Meditierenden zeigte sich innerhalb der Fehlergrenzen keinerlei Veränderung dieser beiden Messgrößen mit zunehmenden Alter.

täglich (= 6.300 Stunden insgesamt) mit einer geeigneten Kontrollgruppe verglichen. Bei der Studie von Luders et al. (2013, http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3705194/, siehe Abb. 7) waren sogar 50 Meditierende beteiligt mit einer mittleren Meditationserfahrung von fast 20 Jahren. Darüber hinaus zeigt die letztgenannte Untersuchung im Hippocampus-Komplex, dass die Menge der grauen Substanz vermutlich mit der Meditationserfahrung zunimmt. Es wurden insbesondere in jenen Bereichen des Hippocampus Veränderungen festgestellt, welche für die Stressregulation von Bedeutung sind.

Es ist bekannt, dass die graue Substanz in allen Hirnregionen mit zunehmenden Alter immer mehr abnimmt. Bei einer Untersuchung von Pagnoni & Cekic (2007) an dreizehn Zen-Meditierenden mit mindestens drei Jahren Meditationserfahrung (verglichen mit einer entsprechend altersangepassten Kontrollgruppe) konnte festgestellt werden, dass dies bei den Meditierenden nicht der Fall ist. Auch bei Tests der Konzentration und der Reaktions-geschwindigkeit schnitten die Meditierenden über alle Altersgruppen gemittelt deutlich besser ab als die Vergleichsgruppe. Nähere Details zeigt die Abb. 8. Diese Untersuchung ist vielleicht für den einen oder anderen ein Motivationsschub, mit dem Meditieren zu beginnen oder regelmäßiger zu meditieren.

Abb. 9: Schematische Darstellung des „Attentional-Blink-Tests“ nach Van Leeuwen et al. (2009, Details siehe Text). Der Zeitabstand zwischen zwei Bildsymbolen (Buchstabe oder Zahl) beträgt 0,1 Sekunden. Der Zeitabstand zwischen den gezeigten Zahlen wird zwischen 0,1 und 0,7 Sekunden variert (siehe auch Abb. 10).

Ähnlich motivierend ist vermutlich die Studie von Van Leeuwen et al. (2009, http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1053810009000828) in der anhand eines sogenannten Attentional-Blink-Tests die Aufmerksamkeit der Probanden untersucht wurde. An dieser Untersuchung nahmen insgesamt 17 Meditierende mit einem Durchschnittsalter von 50 Jahren teil, welche eine Meditationserfahrung von 1-29 Jahren hatten. Beim Attentional-Blink-Test wird auf einem Monitor eine Reihe von Buchstaben in schneller Reihenfolge mehrmals hintereinander abgespielt. Diese Buchstabenreihe enthält zwei Zahlen (siehe Abb. 9). Die Aufmerksamkeit der Probanden bleibt meist an der ersten Zahl “hängen” und somit entgeht oft die zweite Zahl der Aufmerksamkeit. Meditierende schneiden bei diesem Test deutlich besser ab als Nicht-Meditierende der gleichen Altersgruppe. Bei kurzen Zeitunterschieden zwischen den beiden Zahlen (0,1 – 0,3 Sekunden) auch besser als junge Nicht-Meditierende von etwa fünfundzwanzig Jahren (siehe Abb. 10).

Abb. 10: Ergebnisse des „Attentional-Blink-Tests“ von Van Leeuwen et al. (2009) als Funktion des Zeitabstandes zwichen den zwei gezeigten Zahlen, wobei Lag1 = 0,1 Sekunden, Lag2 = 0,2 Sekunden Abstand usw. bedeutet (siehe auch Abb. 9 und Text). In der oberen Graphik wird die Genauigkeit dargestellt mir der die erste Zahl des Tests erkannt wurde und diese Genauigkeit liegt bei 90-100%. In der unteren Graphik werden die Meditierenden (Punkt-Strich-Linie, oben) sowohl mit den einer gleichaltrigen Kontrollgruppe (durchgezogene Linie, unten) als auch mit einer wesentlich jüngeren Kontrollgruppe (gestrichelte Linie) verglichen. Die Graphik zeigt, dass Meditierende immer deutlich besser abschneiden als die gleichaltrige Kontrollgruppe. Erst ab einem Zeitabstand von mehr als 0,4 Sekunden (Lag4) zeigt die wesentlich jüngere Kontrollgruppe praktisch identische Werte wie die Meditierenden.

Sehr wahrscheinlich wird der derzeitige Boom in der Meditationforschung noch viele Jahre anhalten. Daher sind in diesem stark expandierden Wissenschaftsbereich noch zahlreiche spannende Ergebnisse zu erwarten. Wie im letzten Kapitel ausgeführt wurde, gibt es bereits jetzt etliche Forschungsergebnisse, die eine starke Motivationshilfe für eine regelmäßige Meditationspraxis sein können Vermutlich gibt es in absehbarer Zeit noch mehr Studien, die den positiven Nutzen von Meditation nicht nur für die seelische und körperiche Gesundheit weiter untermauern, sondern auch für die Jungerhaltung unseres Gehirns.

Literaturangaben

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Hölzel, B.K., Carmody, J., Vangel, M., Congleton, C., Yerramsetti, S.M., Gard, T., Lazar S.W. 2011. Mindfulness practice leads to increases in regional brain density Matter. Psychiatry Res. 191(1): 36-43.

Kabat-Zinn, J., Wheeler, E., Light, T., Skillings, A., Scharf, M.J., Cropley, T.G., Hosmer, D., Bernhard, J.D. 1998. Influence of a mindfulness meditation-based stress reduction intervention on rates of skin clearing in patients with moderate to severe psoriasis undergoing phototherapy (UVB) and photo-chemotherapy (PUVA). Psychosomatic Medicine 60, 625-632.

Kabat-Zinn, J. 2006a. Gesund durch Meditation: Das große Buch zur Selbstheilung. Fischer Taschenbuch Verlag.

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Lazar, S.W., Kerr, C.E., Wasserman, R.H., Gray, J.R., Greve, D.N., Treadway, M.T., McGarvey, M., Quinn, B.T., Dusek, J.A., Benson, H., Rauch, S.L., Moore, C.I., Fischl, B. 2005. Meditation experience is associated with increased cortical thickness. Neuroreport. 16: 1893–1897.

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Singer, W., Ricard, M. 2008. Hirnforschung und Meditation: Ein Dialog. Suhrkamp Verlag.

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Bildnachweise

Abb. 2 und 3 wurden freundlicherweise von Dr. Ulrich Ott (Bender Institute of Neuroimaging, Justus-Liebig-Universität Gießen) zur Verfügung gestellt und stammen aus seinem Buch "Meditation für Skeptiker" (siehe Ott 2010).

Abb. 1 und 5 stammen von Jeff Miller, University of Wisconsin-Madison (USA), Waisman Lab for Brain Imaging and Behavior (WLBIB) und wurden freundlicherweise von B. Richter zur Verfügung gestellt (siehe auch http://www.news.wisc.edu/newsphotos/davidson08.html).

Die Abb. 4 und 7 geht auf frei verfügbare Quellen der National Library of Medicine (NLM), USA zurück. Für deren Nutzung ist der Autor sehr dankbar. Siehe auch http://www.ncbi.nlm.nih.gov/About/disclaimer.html#disclaimer.

Die Abb. 6 (siehe http://www.pnas.org/content/101/46/16369.long) wurde dankbarerweise von der Nacional Academy of Science (USA) zur Verfügung gestellt. Copyright (2004) National Academy of Sciences, U.S.A.

Die Abb. 8 stammt von Pagnoni, G., Cekic, M. 2007. (genaue Literaturangabe siehe oben, bzw. http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0197458007002436), Copyright (2007) Elsevier, Wiedergabe mit Lizenzerlaubnis von Elsevier.

Die Abb. 9 und 10 stammt aus Van Leeuwen, S., Müller, N.G, Melloni, L. 2009.(genaue Literaturangabe siehe oben; bzw. http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1053810009000828), Copyright (2009) Elsevier, Wiedergabe mit Lizenzerlaubnis von Elsevier.

Hinweis: Das hier verwendeten und gezeigte Text- und Bildmaterials dient ausdrücklich nur nicht-kommerziellen Zwecken. Für jegliche Weiterverwendung des hier veröffentlichten Bildmaterials ohne Beachtung des Urheberrechts bzw. Copyright übernimmt der Autor keinerlei Verantwortung.

Zusammengestellt und verfasst von Reinhard Mundt (1.2.2014)